Impulse - Mythen

Die "Gier" im Märchen

Das Thema Gier hat 2 Seiten: 
 
1. Im „Rotkäppchen“:
positiv: Neugier, „Blumen"
negativ: verschlingende Gier, Tod
 
2. Im „Rumpelstilzchen“ (hatte ich grad am WE):
positiv: Machtgier, Stroh wird Gold
negativ: verschlingende Gier, „Raub“ des Kindes
 
3. Der Fischer und seine Frau
positiv: Machtgier - schöne Häuser und hohe, gesellschaftliche Positionen
negativ: grenzenlose Gier - Verlust von allem Erworbenen
 
Die Gier ist grenzenlos.
Sie ist in unserer Triebnatur verankert, in der animalischen Seite des Menschen.
Wenn wir sie in uns erkennen z.B. in „Rumpelstilzchen" durch den Schmerz angesichts des drohenden Verlusts des Kindes und deshalb Erkennen des Namens, verliert sie die Macht über uns.
In „Rotkäppchen" durch den schmerzhaften Einschnitt des Jägers.
In „Der Fischer und seine Frau“ durch den schmerzhaften Verlust am Ende.

 

Tagore (Gitabitan:prem 367)

angelehnt an den Radha -Krishna- Mythos in dem die Liebende über ihren Geliebten/Krishna spricht:

"Ich habe ihn noch nicht gesehen, nur seine Flöte gehört. Hin gab ich ihm mein Herz und Wesen, ganz betört."

 

Mythos von der Mutter Schmetterling – China, Volk der Miao (in: F. Verdier)

 

Eines Tages fand eine Gottheit einen Samen und pflanzte ihn in die Erde. Daraus entstand ein Baum in der Nähe eines Teiches. Dieser Baum war ein Ahorn. Er wuchs und wuchs und wurde riesengroß. Die wilden Vögel kamen, um sich auf ihm niederzulassen, denn er bot einen wunderbaren Schutz. Da der Baum dicht an einem Teich stand, fraßen die Vögel alle Fische auf. Der Baum wurde für den Tod der Fische verantwortlich gemacht und auf der Stelle gefällt. Er verwandelte sich daraufhin in einen Schmetterling, der von den Regentropfen befruchtet wurde. Die Schmetterlingsmutter legte Eier, brütete sie lange aus und gebar den Gott der Erde, den Gott des Himmels und den Gott der Berge. Diese Götter schufen den ersten Menschen, den Urahnen der Miao.

Deshalb stellen die Miao in ihrer Volkskunst die Mutter Schmetterling dar und verehren den Ahorn.

 

C.G.Jung, Einführung in das Wesen der Mythologie

S. 111 "Die primitive Geistesverfassung erfindet keine Mythen, sondern sie erlebt sie. Die Mythen sind ursprünglich Offenbarungen der vorbewussten Seele,...Mythen haben eine vitale Bedeutung. Sie sind das seelische Leben des primitiven Stammes, der sofort zerfällt und untergeht, wenn er sein mythisches Ahnengut verliert, wie ein Mensch, der seine Seele verloren hat.

Die Mythologie eines Stammes ist seine lebendige Religion, deren Verlust eine moralische Katastrophe darstellt."

 

Peter A. Levine, Sprache ohne Worte, München 2010 S. 59 Mythos

 

Die Mythologie zeigt uns, wie Menschen Herausforderungen mutig begegnen. Mythen sind archetypische Geschichten, die direkt zu unserem Wesenskern sprechen. Sie erinnern uns an unsere tiefen Sehnsüchte und zeigen uns unsere verborgenen Stärken und Ressourcen. Darüber hinaus sind sie Landkarten unserer eigentlichen Natur und dem Kosmos.

Der griechische Mythos von Medusa erfasst die Essenz des Traumas und beschreibt den Weg zu seiner Verwandlung.

 

C.G: Jung GW 8, par. 71

 

"Wir können bei unseren Patienten sozusagen tagtäglich sehen, wie mythische Phantasien entstehen: sie werden nicht ersonnen, sondern stellen sich dar als Bilder oder Vorstellungsreihen, die aus dem Unbewussten sich aufdrängen, und wenn sie erzählt werden, so haben sie nicht selten den Charakter zusammenhängender Episoden, die den Wert mythischer Darstellungen haben. Auf diese Weise entstehen die Mythen, darum haben auch die Phantasien, die aus dem Unbewussten stammen, so viel Verwandtes mit den primitiven Mythen. Insofern aber der Mythus nichts anderes ist als eine Projektion aus dem Unbewussten und keineswegs eine bewusste Erfindung, so ist nicht nur die Tatsache verständlich, dass wir überall auf dieselben Mythenmotive stoßen, sondern auch, dass der Mythus typische psychische Phänomene darstellt."

 

C.G.Jung GW 8, par. 325

 

"Das kollektive Unbewußte scheint - soweit wir uns überhaupt ein Urteil darüber gestatten dürfen - aus etwas wie mythologischen Motiven oder Bildern zu bestehen, weshalb die Mythen der Völker die eigentlichen Exponenten des kollektiven Unbewußten sind. Die gesamte Mythologie wäre eine Art Projektion des kollektiven Unbewußten. Am deutlichsten sehen wir dies am gestirnten Himmel, dessen chaotische Formen durch Bildprojektionen geordnet wurden. Daraus erklären sich die von der Astrologie behaupteten Gestirneinflüsse: sie sind nichts als unbewußte introspektive Wahrnehmungen der Tätigkeit des kollektiven Unbewußten. So wie die Konstellationsbilder an den Himmel projiziert wurden, so wurden ähnliche und andere Figuren in Legenden und Märchen oder auf historische Personen projiziert. Wir können daher das kollektive Unbewußte auf zweierlei Arten erforschen, entweder in der Mythologie oder in der Analyse des Individuums. Da ich hier nun letzteres Material nicht zugänglich machen kann, so muß ich mich auf ersteres beschränken. Die Mythologie ist aber ein dermaßen weites Feld, dass wir daraus nur einige wenige Typen hervorheben können."